Eindrücke aus der 70. Rotation

Erfahrungsbericht Philipp, 69./70. Rotation „Mission Siret“

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(Foto: Mission Siret)

Wir alle konnten es kaum glauben, als am 24. Februar 2022 Russland die Ukraine überfiel. Nach einer ersten Schockstarre begann sehr schnell eine enorme Hilfsbereitschaft in ganz Europa und der westlichen Welt und jeder zeigte dies.

Ähnlich war es auch in dem kleinen rumänischen Grenzort Siret, am Rande der Kaparten. Von hier aus sind es noch 3 km bis zur ukrainischen Grenzstation. Tausende Flüchtlinge retteten sich zu Fuß und mit Autos über die Grenze und suchte eine erste Unterkunft in Siret. Der dortige Rumänisch-Orthodoxe Priester Daniel nahm 18 Personen bei sich zu Hause auf. Als des Nachts noch eine weitere Familie bei -20° an der Tür klingelte zogen die Eheleute zu Ihren beiden Söhnen in die Betten und überließen kurzerhand das Ehebett den Neuankömmlingen.

Ein in Siret lebendender deutscher Landwirt, rief wenige Tage später in seiner Heimat Ostwestfahlen an und bat um Hilfe. Der Ort Siret platze aus allen Nähten. Bewohner und Verwaltung waren hilflos überfordert.

Kurzerhand machten sich einige Johanniter aus dem Raum Bielefeld auf, um vor Ort in Rumänien mit Hilfsgütern und Organisationstalent zu unterstützen. Der deutsche Landwirt überließ ihnen eine leere Lagerhalle für die Hilfsgüter. Die Mission Siret war geboren.

Nachdem langsam die meisten Flüchtlinge aus Siret weiterzogen, erweiterten die Johanniter ihren Aktionsradius kurzerhand auch in die Ukraine hinein. In diesem Südwestzipfel des Landes gab es zum Glück bis heute keinerlei Kriegshandlungen und viele Inlandsflüchtlinge mussten hier versorgt werden. Später folgte noch die Zusammenarbeit mit zahlreichen, neu gegründeten ukrainischen NGOs, die Hilfsgüter weiter ins Landesinnere und an die umkämpfte Ostgrenze brachten.

Mehr als 2 Jahre nach Kriegsbeginn sind die Johanniter eine der wenigen Hilfsorganisationen, die immer noch vor Ort sind und täglich mehrere Tonnen gespendeter Hilfsgüter in die Ukraine zu unterschiedlichen Stationen und Organisationen im Großraum Czernowitz mit freiwilligen Helfern liefern.


Vor kurzem durfte auch ich für 10 Tage als freiwilliger Helfer an den Transporten mitwirken. Mit dem Flugzeug ging es von Dortmund nach Suceava, die zugehörige Regionalhauptstadt in Rumänien, ca. 40km von Siret entfernt. Zeitgleich mit mir kamen die leeren Sprinter aus der Ukraine gerade zurück ins Sireter Lager und wir begannen gleich mit der Beladung für den nächsten Tag. Auf Paletten werden vor allem Lebensmittel (Öl, Wasser, Mehl, Reis, Salz, Konserven, Nudeln) und Hygieneartikel (Klopapier, Zahnpaste und -Bürsten, Waschpulver, Shampoo, Windeln, Binden) gepackt. Jede Palette wiegt zwischen 300 und 600kg und davon kommen 3-4 in jeden Sprinter. Je nachdem wie viele freiwillige Helfer vor Ort sind, können wir mit 3-4 Sprintern fahren und bringen somit jeden Tag 2 – 3 Tonnen Hilfsgüter ins Land. Im Winter kommen noch Heizöfen, Decken und Weihnachtspakete dazu.

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(Foto: Mission Siret)

Nach getaner Arbeit gehen wir Helfer zum oben genannten Priester Daniel. Mit dem Wegzug der Flüchtlinge hat er uns das komplette Obergeschoss seines Hauses und die Gartenlaube mit Küche überlassen. Abends wird gemeinsam gekocht und die Erlebnisse des Tages besprochen. Daniel hat von uns mittlerweile den Spitznamen „Holy Daniel“ erhalten, da er unermüdlich in wirklich jeder Situation hilft und er und seine Familie können sich ein Leben ohne „full house“ schon gar nicht mehr vorstellen.

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Holy Daniel und seine Frau (Foto: Mission Siret)

Abends bereitet unsere treue und fleißige Übersetzerin und Begleiterin Anna Maria noch die Zolldokumente für den kommenden Tag vor. Sie kommt aus Siret, spricht fließend Ukrainisch und Englisch und organisiert die Kontakte und Fahrten in die Ukraine. Keine Lieferung und kein Grenzübertritt ohne sie! Jeder Zöllner kennt und respektiert sie.

Am kommenden Morgen treffen wir uns pünktlich um 8 Uhr mit ihr am Lager und sie erklärt uns, wo wir heute hinfahren und was diese Organisation macht. Danach geht es los zur Grenze. Leider müssen wir bei jedem Grenzübertritt zwischen 1 und 2 Stunden warten – je nach Fahrzeugaufkommen.

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(Foto: Mission Siret)

Ist man aber erstmal in der Ukraine, überwältigt einem die besondere Schönheit der Landschaft und die gepflegten Dörfer. Am Straßenrand werden Kirschen, Himbeeren und Erdbeeren aus den kleinen Gärten angeboten. Jetzt sogar auch traumhafte Steinpilze. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieses Land in einen erbitterten Krieg hineingezogen wurde.

Am Zielort angekommen, werden die Sprinter mit zahllosen lokalen Helfern schnell ausgeladen. Die Dankbarkeit dieser Menschen ist unbeschreiblich. Stolz zeigen oder erzählen sie uns, was damit passiert.

Hier einige Beispiele:

  • Ein Kinderdorf beherbergt 120 – 140 durch den Krieg gezeichnete oder Waisenkinder und bietet ihnen ein großartiges Ferienerlebnis. Jede Woche wird gewechselt und die nächsten 120 Kinder dürfen kommen. Betreut werden sie ausschließlich von freiwilligen Helfern.
    

  • Ein kleines Dorf packt Hilfspakete für die Menschen entlang der Front und fährt sie auch selbst in diese gefährliche Gegend. Zusätzlich werden Pappbecher mit Haferflocken, getrockneten Früchten und Milchpulver gefüllt und verschlossen. Mit etwas heißem Wasser bekommt man ein nahrhaftes Frühstück. Gegen Erkältungen werden Zitronen und Ingwer aufgekocht und ich Behälter abgefüllt. Die Kinder der Dorfschule helfen hier regelmäßig mit und die Eltern spenden ihr eingemachtes Gemüse und Obst.
    

  • Die Universität Czernowitz beteiligt sich auch: Studenten und Professoren helfen gemeinsam beim Entladen unserer 4 Sprinter. Eine Frau erzählt uns, dass sie kurz vor dem Einmarsch der Russen in Saporischschja mit ihrer Familie nur mit dem, was sie am Körper hatte, geflüchtet sind. Mittlerweile hausen die Russen in ihrem Haus. Wenn sie zurückkehren kann, wird sie das Haus abreißen und neu aufbauen.
    Die Universität selbst wünscht sich vor allem Generatoren. Sie haben die Semesterferien im Sommer deutlich gekürzt und dafür schicken sie die Studenten in der dunklen Jahreszeit nach Hause, da die Stromversorgung selbst im friedlichen Czernowitz sehr unzuverlässig ist.
    Sie kann auch nur so viele Studenten aufnehmen, wie sie Plätze in ihren Schutzräumen hat. Bewerber, vor allem aus dem Osten des Landes gibt es viel mehr.

So wurden wir täglich mit neuen, herzzerreißenden, aber auch mutigen Geschichten konfrontiert. Es zeigte uns jeden Tag aufs Neue, wie wichtig unsere Arbeit ist. Auch zwei Jahre nach Kriegsbeginn. Diese 10 Tage als Freiwilliger bei der Mission Siret waren anstrengend, bewegend aber vor allem erfüllend. 10 Tage raus aus dem Alltag und eine so sinnvolle und helfende Arbeit machen ist etwas ganz Besonderes.

Von den 12 Freiwilligen, mit denen ich im Laufe der 10 Tage zusammengearbeitet habe, wollte jeder wiederkommen. Einer war bereits zum 5 Mal hier. Die Arbeit und das gemeinsam Erlebte schweißte die Gruppe immer wieder neu zusammen. Egal wer neu dazukam oder uns wieder verlassen hat; egal in welchem Alter (zwischen 18 und 87).

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Abendessen im Garten (Foto: Mission Siret)

In dieser Gruppe war auch der 500. Freiwillige seit Beginn der Aktion. Insgesamt wurden weit über 6.000 Tage Freiwilligenarbeit geleistet und über 200.000 km mit den Sprintern gefahren.

#MissionSiret

Die Mission Siret funktioniert nur durch Spenden. Ob durch Geld-, Sach- oder freiwillige Arbeit. Wer helfen will, kann dies unter www.missionsiret.de nachlesen und tun.


Bei Sachspenden sind wir vor allem auf Großspenden von Unternehmen angewiesen. Ob Grundnahrungsmittel, Wasser, Hygieneartikel oder medizinisches Verbrauchsmaterial. Wer hier einen Kontakt herstellen kann, melde sich bitte unter sachspenden@missionsiret.de.

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